Posts Tagged ‘Verschiedenheit’

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«Die» Wirtschaft gibt es nicht

Kleinere und mittlere Betriebe funktionieren anders als Grossunternehmen. Dabei geht es nicht darum, wer besser oder schlechter ist. Entscheidend ist vielmehr, dass wir es mit unterschiedlichen Strukturen mit unterschiedlichen Spielregeln zu tun haben.

Dies gelesen: «Die Dinge anders zu machen, ist die Waffe des Kleinen, unsere einzige Chance.» (Quelle: Interview mit Martin Schmidt, Fussballtrainer, NZZ, 27.1.2016)

Das gedacht: Mein letzter Blogbeitrag befasste sich mich mit Bürokratie und Regulierung als Motivations-Killer. Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Dies ist aber nicht alles. Negativ beeinflusst werden auch die Spielregeln einer funktionierenden Marktwirtschaft. Regulierung und Bürokratie spielen Grossunternehmen und der Konzernwirtschaft in die Hände. In zweifacher Hinsicht. Es geht um Kosten und um Handlungsfreiheit.

Abnehmende Durchschnittskosten

Skaleneffekte führen in grösseren Unternehmungen zu einer im Verhältnis tieferen administrativen Belastung. Die Durchschnittskosten nehmen mit der Grösse eines Unternehmens ab.

Schon vor Jahren zeigte eine durch das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebene Studie, dass in Kleinstunternehmen mit 1 – 9 Mitarbeitenden die administrativen Belastungen pro Kopf doppelt so viel kosten wie in Unternehmen mit 10 – 49 Angestellten. Erst recht gilt dieses Ungleichgewicht im Verhältnis zur Konzernwirtschaft. Regulierungskosten können bei grossen Unternehmen auf mehr Mitarbeitende verteilt werden und verschaffen diesen einen Kostenvorteil gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen.

Was dies in der Praxis bedeutet, dokumentiert die aktuelle Raiffeisen-Immobilienstudie. Nur noch etwas mehr als jede zehnte neue Mietwohnung wird von privaten Bauherren geplant. Vor zwanzig Jahren war es noch jede fünfte. Neue Vorschriften, überbordende Bürokratie und steigende rechtliche Risiken schrecken immer mehr private Investoren vom Bauen ab. more

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Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer.

Dies gelesen: «Interessant ist, dass Geld und höheres Ansehen für Gründungspersonen in der Schweiz eine sehr kleine Rolle spielen. Vielmehr stehen intrinsische, persönliche Motive wie Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen im Vordergrund.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht)

Das gedacht: Seit mehr als zwanzig Jahren untersucht die Fachhochschule Nordwestschweiz die Gründerszene der Schweiz. Verändert hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren erfreulicherweise der Frauenanteil. Dieser hat sich ziemlich genau verdoppelt. Hinter knapp einem Drittel der neugegründeten Unternehmen stehen Frauen. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Unternehmensgründer mit einem akademischen Abschluss. Angesichts der starken Zunahme an Hochschulabsolventen keine Überraschung.

Im Übrigen aber hat sich kaum etwas bewegt. Die durchschnittliche Gründerperson ist etwas mehr als vierzig Jahre alt. Die neuen Unternehmen sind klein und bleiben klein. Unterstützung kommt bei der Gründung in erster Linie von der Familie, von Bekannten und Verwandten. Vergleichbares gilt, wenn bei auftretenden Schwierigkeiten externe Unterstützung gesucht wird. Bei der Finanzierung kommen zusätzlich Banken und Risikokapitalgeber ins Spiel.

Privat statt Staat

Kaum Bedeutung kommt bei Unternehmensgründungen den öffentlichen Gemeinwesen zu. Nur bei 6% der Gründerinnen und Gründer spielen staatliche Stellen eine unterstützende Rolle. Ein noch tieferer Wert als vor 10 Jahren (2009: 8%). Auch bei auftretenden Schwierigkeiten werden öffentliche Unterstützungsangebote kaum genutzt. more

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Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

Die Politik muss sich von ihrem Anspruch auf Totalverwaltung verabschieden. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Dies gelesen: «In der heutigen Welt kommt es auf Grösse an.» (EU-Kommissar Maros Sefcovic, in: NZZ, 19.3.2024)

Das gedacht: Für EU-Kommissar Maros Sefcovic steht fest, dass für die Schweiz kein Weg an einer institutionellen Anbindung an die EU vorbeiführt. Dies aus einem einfachen Grund: Gut ist, was gross ist. Eine Vorstellung, die nicht nur EU-Politiker auszeichnet. Nur, stimmt dies? Liegt, wie Sefcovic behauptet, die Zukunft in möglichst grossen Organisationen?

Die Fakten jedenfalls sprechen eine andere Sprache. Der Trend geht nicht in Richtung grosser politischer Einheiten. Von 1900 bis heute stieg die Zahl der Staaten von weltweit 50 auf knapp 200. Im 20. Jahrhundert entstand alle neun Monate ein neuer Staat. Auch im 21. Jahrhundert setzt sich die Staatenvermehrung fort, wenn auch verlangsamt. Egbert Jahn spricht von der wundersamen Vermehrung der Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

Grösse ist auch keine Garantie für Wohlstand. Im Gegenteil. 16 der 20 Länder mit dem grössten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2022 haben weniger als 10 Millionen Einwohner.

Und Grösse macht erst recht nicht glücklich. Gemäss dem World Happiness Report gehört zu den zehn Staaten mit den glücklichsten Menschen kein einziger Grossstaat. Bei den Top Ten liegt der Durchschnitt bei 7.1 Millionen Einwohnern. more

Politik

Anmassung von Wissen

Heute heisst es: In Bundesbern muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Eine Direktive, die zum Scheitern verurteilt ist. Nicht nur in der Klimapolitik.

Dies gelesen: «Der Bund sorgt dafür, dass die Wirkung der in der Schweiz anfallenden von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 Null beträgt.» (Quelle: Art. 3 Abs. 1 Klimaschutzgesetz)

Das gedacht: Der Bund nimmt die Sache in die Hand. So steht es im Klimaschutzgesetz, über das wir im Sommer abstimmen. Er kann es. Dies trifft erfahrungsgemäss dann zu, wenn es um das Tagesgeschäft geht. Unsere Nationalstrassen, der Bau von Eisenbahntunnels, aber auch die Steuerverwaltung, die Mehrwertsteuerkontrolle, das Verteilen von Subventionen an die Landwirtschaft, Sportverbände oder die Kultur, dies alles funktioniert vergleichsweise gut.

Anders sieht es aus, wenn die Herausforderung nicht im Verwalten der Gegenwart, sondern im Gestalten der Zukunft liegt. In die Coronapandemie und in die neutralitätspolitischen Herausforderungen des Ukrainekriegs stolperte der Bundesrat mehr oder weniger unvorbereitet hinein. Digitalisierungsprojekte scheitern. Auf das elektronische Patientendossier warten wir seit dem Jahre 2007. In der Altersvorsorge und im Gesundheits- und Pflegebereich herrscht ein riesiger Reformstau. Die Umlagerungsziele des Alpenschutzartikels sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Die Energiestrategie 2050 entpuppt sich wenig überraschend als Rohrkrepierer. Das leichtsinnige Spiel mit der Versorgungssicherheit gefährdet unsere Zukunft. Und nun will uns das Parlament mit dem Klimaschutzgesetz weismachen, dass der Bund dafür sorgen wird, dass bis ins Jahr 2040 im Sektor Gebäude die Treib­haus­gasemissionen um 82 Prozent (und nicht 81 und auch nicht 83 Prozent) und im Sektor Verkehr um 57 Prozent vermindert werden. Mehr Selbstüberschätzung geht nicht. more

Politik

Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden

Abweichende Meinungen werden immer weniger akzeptiert. Die Moralkeule ersetzt das Argument.

Dies gehört: «Das was ja Elon Musk so hochhält, diese Redefreiheit, finde ich eigentlich, dass das demokratische Legitimation braucht. Eine Gesellschaft einigt sich darauf, was gesagt werden darf und wo die Grenzen sind, was dann nicht mehr gesagt werden darf.» (Quelle: SRF-Digitalredaktor Guido Berger, SRF news, 4×4 Podcast, 26.4.2022)

Das gedacht: An sich ist die Sache klar. Grundrechte sind in ihrer ursprünglichen Bedeutung Abwehrrechte des einzelnen Bürgers gegen den Staat. Dazu gehört die in Artikel 16 der Bundesverfassung garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit. Jede Person hat das Recht, ihre Meinung zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.

Kommunikationsrechte sind elementar für den politischen Meinungsbildungsprozess und die Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie. Einschränkungen sind nur unter ganz besonderen, strengen Voraussetzungen erlaubt. Nicht entscheidend ist, ob die geäusserte Meinung mehrheitsfähig ist. Im Gegenteil. Grundrechte sind Minderheitenschutz.

Ganz anders sieht dies der Digitalredaktor des Schweizer Radio und Fernsehen. Er stellt die Meinungsäusserungsfreiheit gewissermassen auf den Kopf. Für ihn geht es nicht um Abwehrrechte des Einzelnen, um Minderheitenschutz, sondern einzig und allein um das Kollektiv. Die Gesellschaft einigt sich darauf, was gesagt werden darf und was nicht. more

Politik

Betroffenheitsgraben

Die direkte Demokratie funktioniert von unten nach oben. Themen und Sachfragen, die nur einzelne Gemeinden oder Kantone betreffen, sind von diesen und nicht vom Schweizer Stimmvolk zu regeln.

Für die Bevölkerung des Kantons St.Gallen war die Sache klar. 64,4 % der Abstimmungswilligen und alle Gemeinden verwarfen das Medienpaket. Selbst die rotgrüne Stadt St.Gallen lehnte die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagenen Subventionen für private Medienhäuser ab.

In der Abstimmungsstatistik findet man allerdings eine bemerkenswerte Ausnahme. Die im Kanton St.Gallen stimmberechtigten Auslandschweizer stimmten dem Medienpaket mehrheitlich zu. Dies ist insofern erstaunlich, als viele der vorgeschlagenen Massnahmen für die Auslandschweizer bedeutungslos sind. Dies gilt insbesondere für die Millionensubventionen zu Gunsten der Frühzustellung von Tageszeitungen.

Die Zustimmung der Auslandschweizer zu den Milliardensubventionen hat wohl in erster Linie damit zu tun, dass diese in der Regel in der Schweiz keine Steuern bezahlen. Der wuchernde Staatsapparat belastet sie nicht. Staatsausgaben sind offensichtlich dann kein Problem, wenn man selbst nicht zur Kasse gebeten wird. more

Politik

Staatsversagen auf Ansage

 

Regierungen und Verwaltungen scheitern an der Vielfalt der modernen Gesellschaft. Auch in der Bewältigung der Corona-Krise. Das staatliche Mikromanagement ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Wir erinnern uns. Während des zweiten Lockdowns gestatteten die Bundesbehörden den Verkauf von Unterhosen. Pyjamas dagegen waren mit einem Verkaufsverbot belegt. Im Bündnerland durfte man mit dem überfüllten Postauto von Chur nach Parpan fahren. Abstand? Beschränkung der Passagierzahl? Fehlanzeige. Die Terrassen der Bergrestaurants am Zielort dagegen wurden auf behördliche Anweisung hin geschlossen. Dies trotz einer Corona-konform schlanken Bestuhlung. Gleichzeitig verkaufte die SWISS jeden Sitz in ihren wie Sardinenbüchsen organisierten Flugzeugen. Wenn zwei dasselbe tun, so ist es noch lange nicht dasselbe.

Masken galten zuerst als nutzlos, dann wurden diese empfohlen, später unter Strafandrohung befohlen. Trotz einer in Lockdown-Zeiten besonderen Nachfrage untersagten die Behörden den Verkauf von Spielsachen und Büchern im stationären Einzelhandel. Dies sehr zur Freude von globalen Online-Giganten, die sonst von der Politik bei jeder anderen Gelegenheit für ihre Arbeitsbedingungen und Steuertricks kritisiert werden. Die Liste an Corona-Absurditäten lässt sich unendlich erweitern. Vieles hat mit individuellem Versagen zu tun. Entscheidender sind jedoch systembedingte Unzulänglichkeiten. Wir haben es mit einem Staatsversagen auf Ansage zu tun.

Industrielle Logik

Die moderne Gesellschaft folgt einer industriellen Logik. Das Ziel sind Organisationen, die als perfekte Maschine funktionieren und in der Lage sind, massenhafte Bedürfnisse zu bewältigen. Und dies nicht nur in der Massenproduktion, den Massenmedien oder dem Massentourismus, sondern auch in der Staatsorganisation. Bürokratisierung und Zentralisierung durchdringen alle Bereiche des öffentlichen Lebens. In Bundesbern sitzen 35’000 Staatsangestellte, die Tag und Nacht Gesetze, Verordnungen und Verhaltensanweisungen erfinden, vollziehen und für das Glück der Menschheit sorgen.

Allein in den letzten zehn Jahren ist die Rechtssammlung des Bundes um einen Drittel angewachsen. Auf über 70’000 Seiten. Zur Konkretisierung des Lebensmittelgesetzes benötigt die Verwaltung 27 Verordnungen mit insgesamt 2080 Seiten. Ein Bürokratiemonster, das selbst Spezialisten überfordert. Noch etwas komplizierter die Regulierung der Landwirtschaft. Hier braucht es in Bund und Kantonen rund 4000 Seiten. Geradezu magersüchtig dagegen der Leitfaden der Bundesverwaltung zum geschlechtergerechten Formulieren. 191 Seiten. Allerdings, das Gendersternchen gab’s bei der Verabschiedung des Leitfadens noch nicht. Und so stehen wohl die nächsten 50 Seiten ins Haus. more