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Politik

Die Lebenswirklichkeit macht den Unterschied

In der Schweiz werden alle grösseren Städte von einer linken Mehrheit regiert. Dies aus einem einfachen Grund. Hier befinden sich die öffentlichen Verwaltungen, die Spitäler und die höheren Bildungseinrichtungen. Die Zahl rotgrüner Wählerinnen und Wähler steigt mit der Zahl der Staatsangestellten.

Dies gelesen: «Die Bundesstadt ist zunehmend zu einer rot-grünen Parallelwelt geworden, in der man unter seinesgleichen lebt – ein staatlich umsorgtes Biotop, wo man nicht viel darauf gibt, wie das Geld erwirtschaftet wird.» (Katharina Fontana, NZZ, 25.11.2024)

Das gedacht: Amerika hat gewählt. Viele politische Beobachter reiben sich die Augen. Aus dem erwarteten und von ihnen erhofften Erfolg von Kamala Harris ist nichts geworden. Stattdessen siegte Donald Trump auf der ganzen Linie. Er holte die Mehrheit der Stimmen der Wahlleute und des Volkes. Die Republikaner gewannen den Senat und das Repräsentantenhaus. Eindeutiger geht es nicht.

Diese klaren Mehrheitsverhältnisse ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die Vereinigten Staate ein politisch gespaltenes Land sind. 51% der Wahlberechtigten wählten Trump, 49% Harris. Ausgeprägt erkennt man diese Spaltung, wenn man die Resultate auf County-Ebene betrachtet. Das ländliche Amerika stimmte mehrheitlich für Trump. In den grossen Städten gewann Harris.

Besonders deutlich zeigte sich dies im Bundesdistrikt Washington D.C., der Hauptstadt der USA. Hier siegte die Demokratin mit 92.5% der Stimmen. Dies aus einem einfachen Grund. Gegen 30 Prozent der Beschäftigten in Washington D.C. arbeiten für die Bundesbehörden und die lokale Verwaltung. Dazu kommen alle, die als Lebenspartner und Familienmitglieder von Staatsangestellten ebenfalls am Tropf staatlicher Lohnzahlungen hängen. Sie alle vertreten die Interessen der Verwaltung und wünschen sich einen starken Staat.

Staat grösster Arbeitgeber

Vergleichbares gilt für die Schweiz. Der Staat ist der grösste Arbeitgeber. Die öffentliche Verwaltung beschäftigt zu Vollzeitäquivalenten 400’000 Personen. Weitere 200’000 Personen arbeiten in öffentlichen Unternehmen und Instituten des öffentlichen Rechts wie Kantonalbanken, Kantonsspitälern oder der SBB. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass sich diese Arbeitsplätze auf die grösseren Städte konzentrieren. Hier befinden sich die öffentlichen Verwaltungen, die Spitäler und die höheren Bildungseinrichtungen. Nicht anders als in Washington D.C. widerspiegelt sich diese Konzentration von Staatsangestellten im Wahlverhalten der Stadtbevölkerung. Die Zahl rotgrüner Wählerinnen und Wählersteigt steigt mit der Zahl der Staatsangestellten.

Besonders deutlich gilt dies für die Stadt Bern, in der zusätzlich zur Gemeinde- und Kantonsverwaltung viele Angestellte des Bundes wohnen. Bern ist heute die am weitesten links stehende Stadt der Schweiz. Das einst so bieder-brave Bern, so Katharina Fontana in der NZZ, ist heute eine radikal linke Stadt, in der man den Kapitalismus abschaffen und die Bevölkerung mit einem bedingungslosen Grundeinkommen beglücken will – und wo die Beamten bereits mit 63 Jahren in Pension geschickt werden. (…) Die Wählerschaft hat es sich mit gutbezahlten Stellen in der Verwaltung, beim staatsnahen Speckgürtel, bei den vielen rund ums Bundeshaus angesiedelten Nichtregierungsorganisationen und anderen subventionierten Lobbys so wunderbar bequem eingerichtet.

In der Schweiz werden alle grösseren Städte von einer linken Mehrheit regiert. Vielfach wird diese Tatsache mit dem Unterschied zwischen einer gebildeten urbanen Elite und dem einfach gestrickten Landvolk erklärt. Überheblicher geht es nicht. Die entscheidende Differenz liegt nicht in Bildungsabschlüssen, sondern in der unterschiedlichen Lebenswirklichkeit.

Public-Private-Pay-Gap

Die Unterschiede in der Lebenswirklichkeit der Angestellten des öffentlichen und des privaten Sektors zeigen sich zuerst einmal in den Anstellungsbedingungen. Im Zeitraum von 2020 bis 2022 betrug das durchschnittliche Bruttoerwerbseinkommen für eine Vollzeitstelle in der Bundesverwaltung 118’457 Franken. In der Privatwirtschaft waren es 92’723 Franken. Diese Differenz lässt sich teilweise damit erklären, dass in der Bundesverwaltung rund die Hälfte der Mitarbeitenden über einen Hochschulabschluss verfügt. Mit der Staatsebene steigt die Akademisierung.

Der Public-Private-Pay-Gap bestätigt sich aber auch, wenn man Personen mit dem gleichen Alter, Geschlecht, Ausbildung und weiteren identischen Merkmalen betrachtet. Im Mittel verdient ein Bundesangestellter rund 14’000 Franken oder knapp 12 Prozent mehr als sein «statistischer Zwilling» in der Privatwirtschaft. In den Kantonen und den Gemeinden ist der Unterschied mit 5.4, respektive 4.5 Prozent deutlich kleiner.

Im Vergleich zur Privatwirtschaft geniessen die Angestellten der Bundesverwaltung weitere Privilegien wie grosszügige Pensionskassenregelungen und einen besseren Kündigungsschutz. Ein Ortszuschlag gleicht die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten am jeweiligen Wohn- bzw. Arbeitsort aus. Weiter gibt es Funktionszulagen, Arbeitsmarktzulagen und Sonderzulagen.

Grosszügig auch die Kantone und Gemeinden. In der Stadt Zürich übernimmt die Arbeitgeberin ebenfalls den grösseren Teil der Pensionskassenbeiträge. Zusätzlich zur bereits grosszügigen Ferienregelung können die Mitarbeitenden bis zu 10 unbezahlte Ferientage beziehen. Und selbstverständlich gehen auch der Mutterschafts- und der Vaterschaftsurlaub über den gesetzlichen Anspruch hinaus. Als Pilotprojekt möchte man nun auch noch einen Menstruationsurlaub von bis zu 5 Tagen je Monat einführen. Es gibt Lunch-Checks, einen ÖV-Beitrag, eine Spesenentschädigung für das persönliche Smartphone und Hypotheken zu Sonderkonditionen.

Über den Wolken

Noch entscheidender ist, dass die Beschäftigten des öffentlichen Sektors losgelöst von den Niederungen des Alltags der arbeitenden Bevölkerung funktionieren. Sie schweben über den Wolken, funktionieren unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und unabhängig von den Finanzperspektiven des Bundes. Innerhalb der Gehaltsstufe gibt es in der Bundesverwaltung eine automatische jährliche Lohnerhöhung. Zumindest für die bescheidenen 97% (!) der Beschäftigten, deren Leistungen von den Vorgesetzten als «sehr gut» bis «gut» beurteilt werden. Und selbstverständlich erhalten alle Bundesangestellte unabhängig von ihrer Leistung einen Teuerungsausgleich.

Übertroffen werden diese Automatismen in ihrer Wirkung von der Entkoppelung von Ursache und Wirkung. Die Folgen einer fragwürdigen Energiepolitik treffen nicht die Angestellten der Verwaltung, sondern die arbeitende Bevölkerung in der Industrie und in der Gastronomie. Auf der Strecke bleiben die Arbeiter von Swiss Steel und nicht die Entscheidungsträger des Bundesamtes für Energie. Den Preis für den Kampf gegen autofahrende Kundinnen bezahlen der Einzelhandel und seine Beschäftigten und nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Die Bauverwaltung eines Kantons kann grosse Bauprojekte in den Sand setzen. Präsentiert wird die Rechnung den Steuerzahlern. Für die «Verantwortlichen» in Regierung und Verwaltung hat dies alles keine Konsequenzen.

Institutionelle Schranken

Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang individuelle Aspekte. Es versteht sich von selbst, dass unzählige Verwaltungsangestellte einen tollen Job machen. Die Herausforderungen liegen auf der Ebene des politischen Systems. Vergleichbar mit Wählerinnen und Wählern, Politikerinnen und Politikern funktionieren auch Staatsangestellte als rationale, ihre Interessen verfolgende Individuen. Sie nutzen den ihnen vorgegebenen Handlungsspielraum zu ihrem eigenen Vorteil. Dies ist weder verboten noch zu verbieten.

Der gesellschaftliche Ausgleich fällt allerdings dann aus dem Gleichgewicht, wenn die Beschäftigten des öffentlichen Sektors gemeinsam mit ihrem Umfeld zahlenmässig ein Ausmass erreichen, mit dem sie in den Städten jede Wahl und in den Gemeinden, Kantonen und auf Bundesebene jede Abstimmung zu ihren Gunsten entscheiden können. Auch in diesem Zusammenhang macht die Dosis das Gift. Nicht anders als in der Vergangenheit braucht es daher institutionelle Schranken, die diesem Ungleichgewicht Grenzen setzen.

Notwendiges Korrektiv

Nach dem Sonderbundskrieg lag die Herausforderung im Ausgleich zwischen den liberalen, mehrheitlich reformierten Kantonen und den ländlichen, katholischen Orten. Dieser Ausgleich gelang bei der Gründung der modernen Schweiz im Jahre 1848 mit einem echten Zweikammersystem und dem Ständemehr bei Volksabstimmungen mit Verfassungsrang.

Heute geht es nicht mehr um Fragen der Religion, sondern um ein notwendiges Korrektiv gegenüber der wachsenden Übermacht des politisch-administrativen Komplexes in den grösseren Städten. Wenig überraschend sind es denn auch diese Kreise, die im Zusammenhang mit Volksabstimmungen plötzlich nichts mehr von Minderheitenschutz wissen wollen. So heisst es etwa beim ehemaligen SP-Ständerat Paul Rechsteiner mit Blick auf eine Aufwertung des Ständemehrs: Fort mit Schaden!

Ein Glück, dass unsere Vorfahren weiser und vor allem weniger opportunistisch handelten. Eine funktionierende Demokratie setzt nicht auf die «Tyrannei der Mehrheit» (Alexis de Tocqueville), sondern lebt vom Ausgleich unterschiedlicher Interessen und gesellschaftlicher Gruppierungen. Dies gilt auch für das Spannungsfeld von Stadt und Land. Der Ständerat und das Ständemehr sorgen für den notwendigen Ausgleich zu Gunsten der ländlichen Regionen und kleinen Kantonen. Sie sind aktueller denn je. Wir tun gut daran, unsere traditionellen Institutionen Sorge zu tragen.

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«Die» Wirtschaft gibt es nicht

Kleinere und mittlere Betriebe funktionieren anders als Grossunternehmen. Dabei geht es nicht darum, wer besser oder schlechter ist. Entscheidend ist vielmehr, dass wir es mit unterschiedlichen Strukturen mit unterschiedlichen Spielregeln zu tun haben.

Dies gelesen: «Die Dinge anders zu machen, ist die Waffe des Kleinen, unsere einzige Chance.» (Quelle: Interview mit Martin Schmidt, Fussballtrainer, NZZ, 27.1.2016)

Das gedacht: Mein letzter Blogbeitrag befasste sich mich mit Bürokratie und Regulierung als Motivations-Killer. Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Dies ist aber nicht alles. Negativ beeinflusst werden auch die Spielregeln einer funktionierenden Marktwirtschaft. Regulierung und Bürokratie spielen Grossunternehmen und der Konzernwirtschaft in die Hände. In zweifacher Hinsicht. Es geht um Kosten und um Handlungsfreiheit.

Abnehmende Durchschnittskosten

Skaleneffekte führen in grösseren Unternehmungen zu einer im Verhältnis tieferen administrativen Belastung. Die Durchschnittskosten nehmen mit der Grösse eines Unternehmens ab.

Schon vor Jahren zeigte eine durch das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebene Studie, dass in Kleinstunternehmen mit 1 – 9 Mitarbeitenden die administrativen Belastungen pro Kopf doppelt so viel kosten wie in Unternehmen mit 10 – 49 Angestellten. Erst recht gilt dieses Ungleichgewicht im Verhältnis zur Konzernwirtschaft. Regulierungskosten können bei grossen Unternehmen auf mehr Mitarbeitende verteilt werden und verschaffen diesen einen Kostenvorteil gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen.

Was dies in der Praxis bedeutet, dokumentiert die aktuelle Raiffeisen-Immobilienstudie. Nur noch etwas mehr als jede zehnte neue Mietwohnung wird von privaten Bauherren geplant. Vor zwanzig Jahren war es noch jede fünfte. Neue Vorschriften, überbordende Bürokratie und steigende rechtliche Risiken schrecken immer mehr private Investoren vom Bauen ab. more

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Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer.

Dies gelesen: «Interessant ist, dass Geld und höheres Ansehen für Gründungspersonen in der Schweiz eine sehr kleine Rolle spielen. Vielmehr stehen intrinsische, persönliche Motive wie Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen im Vordergrund.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht)

Das gedacht: Seit mehr als zwanzig Jahren untersucht die Fachhochschule Nordwestschweiz die Gründerszene der Schweiz. Verändert hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren erfreulicherweise der Frauenanteil. Dieser hat sich ziemlich genau verdoppelt. Hinter knapp einem Drittel der neugegründeten Unternehmen stehen Frauen. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Unternehmensgründer mit einem akademischen Abschluss. Angesichts der starken Zunahme an Hochschulabsolventen keine Überraschung.

Im Übrigen aber hat sich kaum etwas bewegt. Die durchschnittliche Gründerperson ist etwas mehr als vierzig Jahre alt. Die neuen Unternehmen sind klein und bleiben klein. Unterstützung kommt bei der Gründung in erster Linie von der Familie, von Bekannten und Verwandten. Vergleichbares gilt, wenn bei auftretenden Schwierigkeiten externe Unterstützung gesucht wird. Bei der Finanzierung kommen zusätzlich Banken und Risikokapitalgeber ins Spiel.

Privat statt Staat

Kaum Bedeutung kommt bei Unternehmensgründungen den öffentlichen Gemeinwesen zu. Nur bei 6% der Gründerinnen und Gründer spielen staatliche Stellen eine unterstützende Rolle. Ein noch tieferer Wert als vor 10 Jahren (2009: 8%). Auch bei auftretenden Schwierigkeiten werden öffentliche Unterstützungsangebote kaum genutzt. more

Politik

Keller-Sutter und der liberale Kompass

Private Unternehmen, deren Konkursrisiko für das System kein Problem ist, die weder staatliche Subventionen noch staatliche Sicherheitsgarantien beanspruchen, sollten von der Politik in Ruhe gelassen werden.

Dies gelesen: «Es ist leider so, dass der Konkurs einer international systemrelevanten Bank völlig andere Konsequenzen hätte als der Konkurs eines KMU.» (Quelle: BR Karin Keller-Sutter, www.nzz.ch, 25.3.2023)

Das gedacht: Bundesrat, Nationalbank und Finma haben als Gegengift zum Vertrauensverlust der Credit Suisse Notrecht eingesetzt. Die «Too big to fail»-Gesetzgebung, die Eigentumsgarantie, Aktionärsrechte, das Wettbewerbsrecht und das Öffentlichkeitsgesetz wurden ausser Kraft gesetzt. Wenn es wirklich schwierig wird, erweisen sich der Gesetzgebungs- und Verordnungsoverkill, die Vollzugsbürokratie und die Flut von externen Expertisen und Beratungsmandaten als unbrauchbar. Wie bereits bei Corona und der Energiewende entpuppen sich die 30’000 Bundesangestellten als reine Schönwetter-Piloten.

Nun ist es zweifellos so, dass der Konkurs einer Grossbank gesamtwirtschaftlich andere Konsequenzen hat als die Zahlungsunfähigkeit einer Bäckerei oder eines Maschinenbauunternehmens. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn sich die Politik und die Verwaltung mit diesen systemrelevanten Unternehmen beschäftigen und mit bürokratischen Massnahmen Leitplanken für deren Geschäftstätigkeit definieren. more