Generationen-Graben
Ob Medienpaket, Netflix-Gesetz oder Altersvorsorge. Immer geht es zu Lasten der jungen Generation. Angeführt von Parteien, die bei jeder anderen Gelegenheit lautstark soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit predigen. Zynischer geht es nicht.
Mitte Januar publizierte das Meinungsforschungsinstitut gfs-bern die Vox-Analyse zur Covid-19-Abstimmung vom 19. November 2021. In den Vox-Analysen untersuchen die Meinungsforscher im Auftrag des Bundesrates sämtliche Volksabstimmungen auf nationaler Ebene. Anhand von Nachbefragungen versucht man die Motive der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für ein Ja oder ein Nein an der Urne zu verstehen.
Gemäss der Medienmitteilung von gfs-bern zeigte die Nachbefragung, dass von jung bis alt und von links bis recht der Covid-19-Vorlage zugestimmt wurde. Macht man sicher allerdings die Mühe, die ganze Studie und nicht nur die selektiv verkürzte Medienmitteilung zu studieren, relativiert sich die hochoffizielle Begeisterung. Von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern mit einem Alter unter 50 Jahren stimmt etwas mehr als 50 Prozent dem Covid-19-Gesetz zu. Bei den über 50-Jährigen dagegen waren es gegen 70 Prozent. Der Generationen-Graben ist offensichtlich.
Angesichts der Vorlage erstaunt dies nicht. Ältere Menschen gehören mit Bezug auf einen möglicherweise schweren Krankheitsverlauf zu den gefährdeten Personen. Ihnen gilt in erster Linie die Schutzabsicht der Covid-Massnahmen. Geschlossene Restaurants und Nachtlokale, stillgelegte Open Airs, Versammlungsverbote, Reisebeschränkungen, der Fernunterricht an den Hochschulen, dies alles trifft dagegen vor allem junge, mobile Menschen.
Dass trotz dieser einseitigen Ausganglage mehr als die Hälfte der jüngeren Generationen dem Covid-19-Gesetz zustimmte, ist eindrücklicher Beweis von Solidarität der Jungen mit den Alten. Umgekehrt gilt dies allerdings nicht. Im Gegenteil. In der Politik erleben wir derzeit einen mehr oder weniger offenen Beutezug der älteren auf die junge Generation.
Beim Medienpaket gehen die ganz grossen Subventionen an die gedruckten Zeitungen, die primär von älteren und arrivierten Menschen gelesen werden. Die von den Jungen bevorzugten Online-Medien ohne Paywall dagegen gehen leer aus. Mit einem Nein am 13. Februar können wir dies verhindern.
Weiter geht es mit dem Netflix-Gesetz. Dieses will die bei den jungen Fernsehzuschauern beliebten Streamingdienste mit einer Sondersteuer belegen. Subventioniert werden soll mit diesen Zwangsabgaben das einheimische Filmschaffen mit seinem spärlichen, ergrauten Publikum. Erfreulicherweise ergriffen die Jungparteien von FDP, SVP und GLP erfolgreich das Referendum. Sie verdienen unsere Unterstützung.
Dies alles verblasst aber angesichts der gigantischen Umverteilung von Jung zu Alt in der Altersvorsorge. In der AHV sinkt als Folge der demografischen Entwicklung die Zahl der Beitragszahler pro Rentenbezüger laufend, was zu rasch wachsenden Defiziten führt. Bei den Pensionskassen erfolgt eine massive, systemfremde Umverteilung von den Berufstätigen zu den Rentenbezüger, weil der Umwandlungssatz viel zu hoch ist und die Anlagerenditen gesunken sind.
Bisher scheiterte jeder Versuch, diese Systemfehler mit grundsätzlichen Reformen zu korrigieren am Widerstand der Linken und Grünen. Aktuell sammeln Gewerkschaften, SP und Grüne Unterschriften gegen das Reformpaket «AHV 21».
Mit Blick auf die politische Ökonomie mit durchaus nachvollziehbaren Motiven. Im Langzeitverlauf zeigt die Altersstruktur der ständigen Wohnbevölkerung eine kontinuierliche Abnahme der jüngeren und mittleren Altersgruppen und einen deutlichen Zuwachs der Senioren. Vor allem aber ist die ältere Bevölkerung politisch aktiver. Auswertungen aus der Stadt St.Gallen belegen, dass die Stimmbeteiligung bei den 66- bis 75-Jährigen meist doppelt so hoch ist wie bei jungen Erwachsenen. Wer eine ältere Klientel bedient, hat gute Aussichten auf Erfolg.
Ob Medienpaket, Netflix-Gesetz oder Altersvorsorge. Immer geht es zu Lasten der jungen Generation. Angeführt von Parteien, die bei jeder anderen Gelegenheit lautstark Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit predigen. Zynischer geht es nicht.