Die direkte Demokratie lebt, und wie.
Die Digitalisierung gefährdet nicht die direkte Demokratie, sondern beseitigt die Deutungshoheit von Medienkonzernen und Chefredaktoren. Traditionelle Multiplikatoren haben ausgedient. Gut so.
Dies gelesen: «Um die Medienbranche bei der digitalen Transformation zu unterstützen, sollen neu auch Online-Medien gefördert werden. Dafür will der Bundesrat jährlich 30 Millionen Franken allgemeine Bundesmittel zur Verfügung stellen.» (Quelle: Bundesamt für Kommunikation, https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/kommunikation/neue-massnahmen-zur-medienfoerderung.html)
Das gedacht: Geht es nach dem Bundesrat und dem Parlament, werden in Zukunft die privaten Medien jedes Jahr mit zusätzlichen 125 Millionen Franken an Steuergeldern bedient. Schwerstreiche Verlegerfamilien erhalten Millionensubventionen. Ein unmoralisches Angebot.
Unter anderem will man mit den Staatsgeldern die digitale Transformation der Medienhäuser mitfinanzieren. Ein Schlag ins Gesicht all jener Branchen und Unternehmen, die sich mit eigenem Geld und unternehmerischem Risiko den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Zum Beispiel im Einzelhandel.
Nur, für den Bundesrat und die Mehrheit des Parlamentes sind Medienhäuser keine gewöhnlichen Unternehmen. Vielmehr kommt den Medien, so die Medienmitteilung des Bundesamtes für Kommunikation, in unserer direkten Demokratie eine zentrale Rolle zu. Und diese ist offensichtlich in Gefahr. Wenigstens aus Sicht der politischen Klasse.
In Tat und Wahrheit erleben wir dank der Digitalisierung exakt das Gegenteil. Noch nie war die direkte Demokratie so lebendig wie heute. Nur das Ständemehr verhinderte den Sieg der von NGO’s lancierten Konzernverantwortungsinitiative über die geballte Wirtschaftsmacht. Der Verein Klimaschutz als Träger der Gletscherinitiative hat zehn Mitarbeitende, zählt 2500 Mitglieder und kann gegen 50’000 Aktivisten und Sympathisantinnen mobilisieren. Die Schweiz will man mit über 100’000 Gletscher-Fahnen beflaggen. Fast im Alleingang hat die SVP der breiten Allianz der Befürworter des revidierten CO2-Gesetzes die rote Karte gezeigt. Die Kuhhorninitiative und die Trinkwasserinitiative wurden von Einzelpersonen ausserhalb des politischen Systems lanciert und durchgezogen. Die direkte Demokratie lebt, und wie.
Über digitale Plattformen erreicht heute jede Einzelne mit ihren Botschaften kostenlos und vor allem unmittelbar Menschen auf der ganzen Welt. Dies gilt für den einzelnen Bürger und für twitternde Staatspräsidenten. Von zufällig Anwesenden gedrehte und ins Netz gestellte Videos erschüttern die Öffentlichkeit und lösen globale Proteste aus. Neue politische Bewegungen wie die Klimajugend bilden sich spontan und erreichen dank digitaler Vernetzung über Nacht weltweite Aufmerksamkeit.
Die Digitalisierung gefährdet nicht die direkte Demokratie, sondern beseitigt die Deutungshoheit von Medienkonzernen und Chefredaktoren. Traditionelle Multiplikatoren haben ausgedient. Gut so. Wer wie der Schreibende mit seinen Artikeln Leserinnen und Leser erreichen will, ist nicht mehr auf die Gnade von Redaktionen lokaler Monopolmedien angewiesen
Die Gefahren für unsere direkte Demokratie liegen nicht in sinkenden Auflagen von Tageszeitungen und einem rückläufigen Inserateaufkommen, sondern in der Nähe privater Medien zu den Mächtigen. Dazu gehören finanzielle Abhängigkeiten. Subventionen machen gefügig. Dies zeigte eindrücklich die Hofberichterstattung in den Leitmedien während der Pandemie. Unkritischer geht es nicht.
Eine Gefahr für unsere Demokratie stellt aber auch ein Bundesrat dar, der seine Klientelpolitik mit haarsträubenden Argumenten begründet. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er selbst die Wahrheit spricht.