Die Zahl der Beamten oder Angestellten einer Verwaltung steht in keiner Beziehung zu der Menge der vorhandenen Arbeit. (C.N. Parkinson)
Bürokratische Strukturen und Prozesse sind gemeinsame Merkmale grosser Organisationen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Der Unterschied liegt in den Umständen, die dem administrativen Leerlauf ein Ende setzen.
Dies gelesen: «Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz.» (Quelle: Avenir Suisse, 5.2.2025)
Das gedacht: In einem aktuellen Blogbeitrag dokumentiert Avenir Suisse die Verwaltung in den zehn grössten Schweizer Städten. Im Jahr 2022, dem letzten verfügbaren Zeitpunkt, zählten sie zusammen 36’254 Mitarbeitende. Das entspricht genau der Bevölkerung der Stadt Chur und bedeutet einen Anstieg um 13,3% gegenüber dem Jahr 2011. Im gleichen Zeitraum hat die Bevölkerung in diesen Orten lediglich um 9,7% zugenommen.
Aus St.Galler Sicht bemerkenswert: Für einmal ist man ganz vorne mit dabei. Im Vergleich zur Einwohnerzahl gehört St.Gallen zu den drei Städten mit den meisten Verwaltungsangestellten. Pro 1000 Einwohner arbeiten in der St.Galler Stadtverwaltung 25 Mitarbeitende, in Luzern sind es 16. Einsame Spitzenreiterin ist die Stadt Zürich.
Stadt-Land-Graben
Auffallend ist der Stadt-Land-Graben. Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt so grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz. Erklärt wird dieser Unterschied in der Regel mit Zentrumsleistungen, die in den Städten anfallen und von denen auch Einwohner aus der Agglomeration profitieren.
Für einzelne Bereiche mag dies zutreffen. Allerdings, viele Leistungen sind weniger Ausdruck der Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung als vielmehr die Folge unterschiedlicher politischer Einstellungen.
Die Städte ticken deutlich linker als das Land, was die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen und damit auch den Personalbedarf erhöht, so Avenir Suisse. In den kleineren Gemeinden und Kantonen dagegen kommt der Privatinitiative und der Bescheidenheit in der staatlichen Pracht- und Machtentfaltung unverändert eine grössere Bedeutung zu.
Arbeit lässt sich wie Gummi dehnen
Bemerkenswerterweise gibt es im Bereich der Verwaltung keine Skaleneffekte. Trotz der steigenden Produktionsmenge sinken die Produktions- und Selbstkosten nicht. Bürokratien tendieren zur Selbsterhaltung und Selbstverstärkung. Dies gilt für den Staat und die Wirtschaft.
Eine Tatsache, der C. Northcote Parkinson in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in seinen Büchern mit viel Ironie auf den Grund ging. Eine in der Zwischenzeit fast vergessene, aber unverändert lohnenswerte Lektüre.
Parkinson hielt fest, dass sich Arbeit wie Gummi dehnen lässt. Die Zeit, die für die Arbeit zur Verfügung steht, wird ausgefüllt. Die Zahl der Beamten oder Angestellten, so Parkinson, steht in keiner Beziehung zu der Menge der vorhandenen Arbeit.
Seine These illustrierte Parkinson mit der britischen Marine während und nach dem 1. Weltkrieg. Im Jahre 1914 gab es rund 146’000 Seeoffiziere und Matrosen. Bis ins Jahr 1928 hatte sich diese Zahl auf 100’000 reduziert. Ganz anders die Militärverwaltung. Dies nahm von 2000 auf 3569 zu.
Eine Entwicklung, die uns bekannt vorkommt. Im Jahre 2000 arbeiteten 12’385 Personen für das das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS. Heute sind es 12’128. 257 weniger. Immerhin.
Allerdings, im Jahre 2000 betrug der Sollbestand 400’000 Armeeangehörige, heute sind es noch 140’000. Eine gleichbleibende Anzahl von Staatsangestellten betreut eine immer kleinere Zahl an Soldatinnen und Soldaten. Auf zehn aktive Angehörige der Armee kommt ein Verwalter.
Parkinsons Gesetz
Die Triebkräfte dieser Entwicklung fasste Parkinson in zwei Leitsätzen zusammen. Erstens: «Jeder Beamte oder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen zu vergrössern.» Ein erfolgreicher Verkaufsleiter einer Automobilgarage definiert seinen Erfolg über den Umsatz und die Zahl der verkauften Fahrzeuge.
In bürokratischen Strukturen dagegen fehlen objektive Kriterien der Leistungsbeurteilung. Nicht der Output, sondern die Zahl der Untergebenen definieren den eigenen Erfolg und die damit verbundene Machtposition. Je mehr Unterstellte, umso besser.
Zweitens: «Beamte und Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit». Jeder zusätzliche Mitarbeiter führt zu einer exponentiellen Zunahme an Komplexität. Die Zahl der Schnittstellen und damit die Notwendigkeit der Koordination und die Zahl der Absprachen multiplizieren sich.
Man trifft sich an Sitzungen, in Arbeitsgruppen, verabschiedet Zielsetzungen, verfasst Studien, macht Umfragen und schreibt Protokolle. Und fordert mit Blick auf die unerträgliche Arbeitsbelastung zusätzliches Personal.
Schöpferische Zerstörung
Bürokratische Strukturen und Prozesse sind gemeinsame Merkmale grosser Organisationen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Der Unterschied liegt in den Umständen, die dem administrativen Leerlauf ein Ende setzen.
Ein Unternehmen, das im bürokratischen Sumpf versinkt, verliert seine Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Kunden gehen verloren, Umsätze gehen zurück, Gewinne brechen ein. Früher oder später verschwindet das Unternehmen vom Markt. Schumpeter spricht von «schöpferischer Zerstörung».
In der öffentlichen Verwaltung dagegen fehlt die disruptive Wirkung von Marktmechanismen. Entgegen dem Neusprech der staatlichen PR-Abteilungen sind die Bürgerinnen und Bürger keine Kunden, sondern Befehlsempfänger. Es gibt keine Wahlfreiheit.
Systemisches Problem
Machen wir uns nichts vor. Wir alle fangen erst dann an zu schwimmen, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht. Im Zusammenhang mit der öffentlichen Verwaltung ist es die Politik, die für diesen Wasserstand verantwortlich ist. Die Parlamente stehen in der Pflicht, über den Budgetprozess den Begehrlichkeiten der Verwaltung Grenzen zu setzen.
Dazu gehören die Ausgabenplafonierung und ein Stellenstopp. Dies in der Gewissheit, dass die wuchernde Bürokratie ein systemisches Problem ist und nichts mit fehlenden Kompetenzen und mangelndem Engagement zu tun hat.
Eine Verwaltung, die weiss, dass man die anstehenden Herausforderungen nicht mit zusätzlichem Personal und zusätzlichen Ausgaben angehen kann, wird sich sehr rasch mit den Fragen der Effizienz (die Dinge richtig tun) und der Effektivität (die richtigen Dinge tun) auseinandersetzen. Und sinnvolle Lösungen finden.
Literatur:
Parkinson C.N. (1958). Parkinsons Gesetz, Econ Verlag, Düsseldorf.
Parkinson C.N. (1968). Parkinsons Blick in die Wirtschaft, Econ Verlag, Düsseldorf.