Asylkosten: Das grosse Versteckspiel des Bundesrates
Dies gelesen: Eine Gesamt- resp. Vollkostenrechnung des Asylbereichs aller drei Staatsebenen (Bund, Kantone und Gemeinden) existiert in der Schweiz nicht. (Quelle: Postulat Knutti, Stellungnahme des Bundesrates)
Das gedacht: Die Forderung nach Transparenz gehört zu den Dauerbrennern linker Politik. Argumentiert wird mit der Stärkung der direkten Demokratie und dem Vertrauen in die Politik. So etwa die Urheber der 2017 eingereichten Transparenz-Initiative.
Das Bedürfnis nach Transparenz schmilzt dann allerdings wie Schnee an der Sonne, wenn das zu erwartende Ergebnis Bundesbern gegen den Strich geht. Beispielweise bei den finanziellen Konsequenzen der Asylmigration.
Die halbe Wahrheit
In diesem Jahr rechnet der Bund mit Ausgaben für das Asylwesen von rund 4 Milliarden Franken. Die offiziell ausgewiesenen Kosten stellen allerdings nur die halbe Wahrheit dar.
Was in dieser Zahl fehlt, sind alle Kosten der Asylmigration in den Kantonen und in den Gemeinden, die nicht vom Bund bezahlt werden:
- Dies gilt insbesondere für die Sozialhilfe. Etwa 80 Prozent der anerkannten Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen beziehen Sozialhilfe. Der Bund überweist für sie während fünf respektive sieben Jahren eine Sozialhilfepauschale. Anschliessend werden die Kantone und die Gemeinden zur Kasse gebeten. 2023 rechnete Martina Bircher vor, dass die Gemeinde Aarburg für ihre 170 Asylbewerber im Durschnitt 15’000 Franken Sozialhilfe pro Kopf und Jahr bezahlen musste. Multipliziert man diesen Betrag mit der Zahl der schweizweit von der Sozialhilfe abhängigen Asylbewerbern und vorläufig Aufgenommenen, dann kommt man auf Ausgaben in Milliardenhöhe.
- Dazu kommen ungedeckte Zusatzkosten in den Schulen, in der Integration und der Betreuung. Minderjährige Kinder von Asylbewerbern haben oft einen besonderen Förder- und Bildungsbedarf. Es braucht Sonderschulen, die Sonderpädagogik, integrative Modelle und Spezialklassen.
- Weiter geht es mit den Kosten für das Justizwesen. Im Jahre 2024 gingen beim Bundesverwaltungsgericht insgesamt 8198 neue Fälle ein. Zwei Drittel (5349) davon betrafen Asylverfahren.
- Belastet werden aber auch die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden. Gemäss der aktuellen Kriminalstatistik sind Asylmigranten und vor allem Ausländer ohne ständigen Wohnsitz in der Schweiz für ein Viertel der Straftaten verantwortlich.
- Zusatzkosten entstehen darüber hinaus im Gesundheitswesen sowie in der allgemeinen Verwaltung. Dolmetscher, Juristen, Sprachlehrer und Coaches unterstützen Asylmigranten bei der Wahrung ihrer Interessen und beim Erlernen von Alltagskompetenzen.
Kunst der faulen Ausrede
In seiner Stellungnahme zum Postulat Knutti machte der Bundesrat geltend, dass es mit Blick auf die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen und die Vielzahl von involvierten Akteuren nicht möglich ist, die «gesamten Kosten des Asylbereichs im Sinne einer Vollkostenrechnung aufzuführen».
Eine Argumentation, die sehr viel mit der Kunst der faulen Ausrede und wenig mit dem Werkzeugkasten der Behörden zu tun hat:
- Wenn um das EU-Vertragspaket geht, können der Bundesrat, die Bundesverwaltung und die von ihnen beauftragten Berater in die Zukunft blicken. Sie rechnen uns vor, dass bei einem Wegfall der Binnenmarktabkommen und der EU-Forschungsprogramme die Löhne der Niedrig- und Mittelqualifizierten Jahre 2045 (!) 08 Prozent tiefer liegen. Nicht mehr und auch nicht weniger.
- Ganz anders sieht es aus, wenn nicht das Orakel von Delphi gefragt ist, sondern der nüchterne Blick in die Gegenwart. Dann geht plötzlich nichts mehr. Dabei wird unterschlagen, dass die Kosten für die Asylmigration, die in den einzelnen Gemeinwesen und Institutionen anfallen, alles andere als eine Blackbox
- Was jedoch fehlt, ist der Wille, diese Kosten in einer Studie zusammenzufassen und wissenschaftlich aufzuarbeiten. Aus einem einfachen Grund: Bundesbern fürchtet das Resultat.
Ehrliches Preisschild
Das asylpolitische Versteckspiel des Bundesrates ist mehr als ein finanzpolitisches Problem. Es missachtet die Spielregeln einer funktionierenden Demokratie.
Voraussetzung einer korrekten politischen Willensbildung ist die verständliche, unverfälschte und umfassende Darlegung aller relevanten Fakten. Dazu gehört ein ehrliches Preisschild.
Dies gilt ganz besonders in einer direkten Demokratie, in der in entscheidenden Sachfragen das Volk und nicht Berufspolitiker das letzte Wort haben.
Behörden, die ihren Informationsauftrag im Sinne der eigenen politischen Agenda interpretieren, verhalten sich unfair. In einem Fussballspiel wäre dies ein Fall für die rote Karte.
Erstpublikation am 23.9..2025 auf www.nebelspalter.ch